Die Kunst des Beistands
Do's and Don'ts im Umgang mit Trauernden: Wo Hilfe beginnt und Übergriffigkeit endet
Trauernde Menschen begleiten – das klingt erstmal nach einer ehrenvollen Aufgabe. Doch viele von uns fühlen sich unsicher, wenn es darum geht, trauernde Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder zu unterstützen. Was sagt man? Was tut man? Wann wird Hilfe hilfreich und wann grenzt sie an Übergriffigkeit? In meiner Arbeit als Schlusslicht® erlebe ich immer wieder, wie schnell gut gemeinte Gesten und Ratschläge in das Gegenteil umschlagen können.
Deshalb möchte ich euch einige Do’s und Don’ts an die Hand geben, die den Umgang mit Trauernden erleichtern und zugleich aufzeigen, wo Hilfe sinnvoll ist und wo sie Grenzen überschreiten kann.
Do's:1. Dasein, ohne zu drängen:
Es gibt Momente, in denen einfaches Dasein die größte Unterstützung ist. Du musst nicht die richtigen Worte finden – oftmals reicht es, da zu sein. Biete Hilfe an, aber akzeptiere ein "Nein". Trauernde brauchen Zeit und Raum, um sich zu öffnen, und manchmal ist das Geschenk der Zeit alles, was sie brauchen.
2. Zuhören statt Reden:
Ein Trauernder braucht oft keinen Ratschlag, sondern ein offenes Ohr. Höre aktiv zu und sei geduldig. Du musst keine Lösungen präsentieren – oftmals hilft es dem Trauernden einfach, seine Gefühle auszusprechen, ohne unterbrochen zu werden.
3. Geduldig sein:
Trauerprozesse dauern unterschiedlich lange. Zeige Geduld, auch wenn die Person nach Monaten oder sogar Jahren noch trauert. Trauer ist keine lineare Reise, sondern ein ständiges Auf und Ab. Deine Geduld und dein Verständnis sind wertvoller, als du vielleicht denkst.
4. Emotionen annehmen:
Trauer ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Lass zu, dass der Trauernde Wut, Tränen, aber auch Lachen und Freude erlebt. Alle Emotionen sind ein Teil des Heilungsprozesses. Akzeptiere das Chaos der Gefühle, ohne zu werten.
5. Praktische Unterstützung anbieten:
Manchmal brauchen trauernde Menschen keine Worte, sondern Taten. Hilf im Haushalt, geh für sie einkaufen oder biete an, den Rasen zu mähen. Praktische Hilfe kann oft die größte Erleichterung sein.
6. Langfristig da sein:
Viele Menschen bieten in den ersten Wochen nach einem Verlust Hilfe an, aber was passiert nach sechs Monaten? Trauernde brauchen auch dann noch Unterstützung. Zeige ihnen, dass du auch langfristig für sie da bist.
1. Vermeide Floskeln:
Sätze wie "Ich wünsche dir viel Kraft" oder "Die Zeit heilt alle Wunden" mögen gut gemeint sein, können aber oberflächlich und verletzend wirken, wenn sie nicht von Herzen kommen. Wenn du nicht weißt, was du sagen sollst, sei lieber still und zeige durch Gesten deine Anteilnahme.
2. Keine neugierigen Fragen:
Besonders bei tragischen Todesfällen oder Suizid solltest du keine neugierigen Fragen zu den genauen Umständen stellen. Warte, ob der Trauernde von sich aus darüber sprechen möchte – und dann höre aufmerksam zu, ohne das Gehörte weiterzutragen.
3. Keine Vergleiche:
Vermeide es, den Verlust eines Menschen zu relativieren. Jeder Verlust ist einzigartig, egal ob es sich um einen alten oder jungen Menschen handelt. Vergleiche, wie "Mein Verlust war damals auch schlimm", können ungewollt herabwürdigend wirken.
4. Kein "Zwangströsten":
Oft erleben Trauernde eine Art "Überflutung" von Trostangeboten, die eher belastend als hilfreich wirken. Respektiere die Grenzen des Trauernden, besonders bei Kindern, und erdrücke sie nicht mit gut gemeinten Gesten.
5. Respektiere Ablehnungen:
Wenn dein Angebot abgelehnt wird, nimm es nicht persönlich. Manchmal brauchen Trauernde mehr Zeit oder Raum, bevor sie sich öffnen können. Bleibe trotzdem präsent und biete zu einem späteren Zeitpunkt erneut deine Hilfe an.
Trauer ist ein tiefes und komplexes Thema. Es gibt keine klaren Regeln, doch indem wir mitfühlend und respektvoll auf den Einzelnen eingehen, können wir eine echte Stütze sein – ohne dabei in Übergriffigkeit abzurutschen. Denn eines ist klar: Hilfe beginnt da, wo wir offen und empathisch zuhören, und endet, wenn wir die Grenzen der Trauernden nicht respektieren.
30.09.2024
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